Everdingen, Allart van


1621 - 1675

Name: Everdingen, Allart van
Namensansetzungen: Everdingen, Allert van (Andere Schreibweise)
Everdingen, Allaert van (Andere Schreibweise)
Everdingen, Aldert van (Andere Schreibweise)
Everdingen, Allard van (Andere Schreibweise)
Nationalität: NL
Lebensdaten: 1621 - 1675
Geburtsort: Alkmaar, Niederlande, 1621
Todesort: Amsterdam, Niederlande, 1675
Beruf: Landschaftsmaler, Radierer, Kunsthändler


Everdingen, Allart (Aldert; Allard; All[a]ert) van, niederl. Maler, Radierer, Zeichner, Kunsthändler, get. 18.6.1621 Alkmaar, begr. 8.11.1675 Amsterdam. Sohn des aus Utrecht stammenden Notars Pieter Cornelisz van E. und der Hebamme Aechje Claesdr Moer; Bruder von Cesar Boetius van E. und Jan van E. Vater von Cornelis van E. und Pieter van E. Lt. Houbraken Schüler von Roelant Savery in Utrecht und Pieter de Molijn in Haarlem. E. lebt am 15.1.1639 in Haarlem und ist dann zw. dem 20.8.1639 und dem 5.2.1645 erneut in Alkmaar dokumentiert. 1644 reist er nach Norwegen und Schweden. Auf dieser für die Entwicklung seiner Kunst enorm bedeutsamen Reise besucht er, den annotierten Skizzen zufolge, die südöstl. Küste Norwegens, Bohusland und die Gegend um Göteborg in W-Schweden. oo21.2.1645 Janneke Cornelisdr Brouwers in Haarlem, wo er sich anschl. niederläßt. Dort tritt er am 13.10.1645 der Reformierten Kirche bei, wird 1646 Mitgl. der Lukasgilde und 1648 zus. mit dem Bruder Cesar Mitgl. der St.-Georgs-Schützenkompanie. In Haarlem werden E. zw. 1646 und 1651 vier Kinder geboren, sechs weitere 1654-66 in Amsterdam, wohin er 1652 umgezogen ist und am 10.4.1657 Bürgerrecht erhalten hat. Eine Reise in die Ardennen in den südl. Niederlanden ist durch Darst. von Schloß Montjardin (Zchng in der Albertina, Wien; Gem. im Mauritshuis, Den Haag) sowie Zchngn und Rad. von Spa und dem Umland belegt. Vermutl. reist er nicht erneut nach Schweden, um in den 1660er Jahren Aufträge der Fam. Trip für vier Supraporten (Amsterdam, Trippenhuis) und das Gem. Kanonengießerei in Julitabroeck, Södermanland (Amsterdam, RM) auszuführen. Am 9.6.1661 gemeinsam mit Jacob van Ruisdael und Willem Kalf Gutachter (mit Meindert Hobbema als Zeugen) für die Authentizität eines Seestücks von Jan Porcellis. Die Versteigerung des eig. Nachlasses (11.3.1676) wie dem seiner Witwe (16.4.1709; mit Gem. von Raffael, Giorgione, Annibale Carracci, Tizian, Veronese, Holbein, Savery, Porcellis, Hals und Rembrandt) legt nahe, daß E. auch als Kunsthändler tätig gewesen ist. Die einzigen bek. Schüler E.s sind Ludolf Backhuysen und Gerard van Edema, der ab 1670 in England Wasserfall- und Berg-Lsch. in der Art E.s malt. – Durch das erste dat. Gem. Rauhe See (Aufbewahrungsort unbek.) von 1640 etabliert sich E. als Marinemaler in der Trad. von J.Porcellis. Obwohl von E. nur 22 Seestücke bek. sind (bes. aus der Anfangszeit), ist sein Beitrag zu diesem Genre bemerkenswert. Die unbunten Gem. betonen den dramat. Aspekt sich auftürmender Wellen und finsteren Himmels sowohl auf offenem Meer (z.B. Stürmische See, Leipzig) wie in topogr. Darstellungen (z.B. Ansicht von Vlissingen im Sturm, St. Petersburg). Der Eindruck dieser naturalist. Marine-Gem. auf den jungen Jacob van Ruisdael ist deutl. erkennbar. Im Jahr der Skandinavienreise malt E. eine holl. Dünen-Lsch. (1644; 1964 beim Kunsthändler A. van der Meer) in der Art seines Lehrers De Molijn. Das erste bek. dat. Bild einer nordischen Lsch. (1981 in Stockholm versteigert) stammt hingegen erst von 1646. Der Einfluß der Tiroler Landschaften seines Lehrers Savery auf E.s skandinav. Themen manifestiert sich in den nächsten vier dat. Werken mit majestät. Bergansichten von 1647, z.B. Berg-Lsch. mit Flußtal (Kopenhagen). Bis 1648 bildet E. sein volles Repertoire nord. Sujets mit Bergansichten, Felsen, Wasserszenen und Wasserfällen aus und nimmt danach zeitlebens Motive wie Nadelbäume, Wassermühlen, Kaskaden und Blockhäuser in die Gem. auf. Die frühen nord. Bilder zeichnen sich zunächst durch das Farbschema fläm. Lsch. aus und weisen zarte Striche dünn aufgetragener Farbe sowie eine diagonale Anlage sich überlappender Licht- und Schattenzonen in einem horizontalen Format auf, die sich evtl. auf den Einfluß von Hercules Segers zurückführen läßt. Bald aber sind die Gem. von einer unbunten, grau-braunen Farbigkeit geprägt. Das Einfügen dunkler Baumsilhouetten vor hellem Himmel geht vermutl. auf den Haarlemer Maler Cornelis Vroom zurück. Die ersten Wasserfälle in vertikalem Format datieren von 1648 (Leihgabe in Hannover) und entwickeln sich zu E.s bevorzugtem und einflußreichstem Komp.-Typus; von ihm angeregt, malt auch der ab ca. 1657 in Amsterdam ansässige Jacob van Ruisdael dieses Sujet, kurz nachdem er sich dort niederläßt. Die Schwedische Szenerie von 1655 (Amsterdam, RM; Staffage vermutl. von Nicolaes Berchem) offenbart E.s Stilwechsel zu einer dekorativeren, auf flüssiger Pinselführung aufbauenden Malweise und helleren Palette. Gelegentl. arbeitet er auch mit Johannes Lingelbach und viell. Adriaen van de Velde zusammen. Die überwiegende Zahl der Gem. nach 1660 zeigen Wasserfälle, von denen einige eine Pastellfarbigkeit aufweisen, andere vorwiegend großflächig, grob aufgetragene Brauntöne. Die Skandinavische Lsch. von 1670 in Rouen beleuchtet einen wichtigen Aspekt der Arbeitsweise E.s, indem sie die Komp. einer 26 Jahre zuvor, während des Besuchs der Sägemühle und des Wasserfalls von Mölndal, angelegten Skizze (Mölndal, Konsthall) exakt wiederholt. Von den gelegentl. einheim. Lsch. haben sieben topogr. Char. und stammen aus der späteren Periode. Das Oeuvre umfaßt mehr als 500 skandinav. und niederl. Lsch.-Zchngn und -Aqu.; davon sind mindestens sieben Serien von Monats-Darst., daneben zahlr. Studien oder Übertragungs-Zchngn für eig. Radierungen. E.s Ruf als innovativer Graphiker beruht v.a. auf den Experimenten mit Mezzotinto. Das WV der 166 Rad. enthält eine Serie von 57 Ill. der Fabel von Reinecke Fuchs (61 zugehörige Zchngn in London, BM) und ausschl. nord. Lsch.-Sujets. E. beeinflußt neben Ruisdael u.a. auch die Zeitgen. Pieter de Molijn, Jan van Kessel, Roeland Roghman und Klaes Molenaer. Auch zw. ca. 1750 und 1850 wirkt E. als Vorbild einer Reihe von Malern, u.a. Christian Wilhelm Ernst Dietrich, Ferdinand Kobell, Johann Christian Reinhart, Johann Jakob Dorner, Christian Ezdorf und ganz bes. Johan Christian Clausen Dahl.


Letzte Aktualisierung: 20.11.2018



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