Myrrha entflieht dem Lager ihres Vaters



Myrrha entflieht dem Lager ihres Vaters


Inventar Nr.: GK 1252
Bezeichnung: Myrrha entflieht dem Lager ihres Vaters
Künstler: Nicolas Poussin (1594 - 1665), alte Zuschreibung
Datierung:
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Öl
Maße: 97 x 132 cm (Bildmaß)
98 x 135,5 cm (Bildmaß)
114 x 153,2 x 7 cm (Objektmaß)


Katalogtext:
Das Gemälde „Myrrha entflieht dem Lager ihres Vaters“ aus der Nachfolge Nicolas Poussins zeigt nicht nur ein ungewöhnliches Thema, es hat auch eine bemerkenswerte Geschichte hinter sich.
Das Thema ist wie bei so vielen Gemälden Alter Meister den Metamorphosen Ovids entnommen und schildert wie Myrrha, die Tochter des Königs Kinyras von Zypern, in unglücklicher Liebe zu ihrem Vater verfällt. Vorausgegangen war der Hochmut ihrer Mutter, die behauptet hatte, Myrrha sei schöner als Aphrodite. Die Göttin rächt sich daraufhin, indem sie Myrrha sich unsterblich in ihren eigenen Vater verlieben lässt. Die Tochter verschafft sich unerkannt Zutritt zu seinem Bett und schläft mit ihm. Nach der Entdeckung ihrer Tat wird sie von ihrem Vater verfolgt. Sie flieht und wird von Aphrodite in einen Myrtenbaum verwandelt, aus dessen Rinde schließlich der gemeinsame Sohn Adonis entspringt.
Die selten dargestellte Geschichte macht das Gemälde schon zu einer Rarität. Vielleicht erwarb es Landgraf Wilhelm VIII. deshalb? Ausgestellt war es seit der Mitte des 18. Jahrhunderts unter den Hauptwerken seiner Sammlung im großen Galeriesaal. Von dort versteckte es 1806 zusammen mit 47 anderen Gemälden sein Enkel Kurfürst Wilhelm I. vor den anrückenden Truppen Napoleons. Das Versteck wird jedoch entdeckt und von General Lagrange konfisziert. Die Bilder wurden nach Frankreich transportiert und gelangten schließlich in den Besitz Kaiserin Joséphines. Nach ihrem überraschenden Tod wurden fast alle Bilder an den russischen Zaren verkauft. Von dort kamen sie schließlich in die Eremitage in St. Petersburg. Darunter war jedoch nicht das Gemälde mit Myrrha, das deshalb als eines der drei Bilder aus dem Lagrange-Raub 1815 wieder nach Kassel zurückgelangte. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts störte man sich an dem Thema des Inzests und verdammte es ins Depot der Gemäldegalerie. Von dort wurde es 1945 entwendet. Erst 1989 konnte die Spur wieder aufgenommen werden, als das Gemälde in einer Auktion in New York angeboten wurde. Trotz intensiver Bemühungen konnte es damals nicht für Kassel zurück erworben werden. Anschließend verschwand es wieder von der Bildfläche und konnte erst 2020 in der Sammlung der La Salle University in Philadelphia ausfindig gemacht werden, die sich bereit erklärte, das Gemälde an Kassel wieder zurückzugeben. Seit dem 29. Juli 2022 ist das Gemälde nun wieder in der Gemäldegalerie Alte Meister in Schloss Wilhelmshöhe zu sehen.
Die Rückkehr bietet nicht nur die Möglichkeit, das Thema Provenienz im Museum anhand eines interessanten Falles vorzustellen, sondern auch der Frage nach dem Urheber oder der Urheberin des Gemäldes nachzugehen. Schon die Kataloge des 19. Jahrhunderts hatten Zweifel an der Zuschreibung an Nicolas Poussin und wiesen es der Nachfolge zu. Die qualitätvolle Malerei, die dramatische Hell-Dunkel-Wirkung lassen eine Entstehung im 17. Jahrhundert vermuten.
(J. Lange, 2022)


Inventare:
  • Catalogue des Tablaux. Kassel 1749, S. 10, Nr. 93.
Literatur:
  • Causid, Simon: Verzeichnis der Hochfürstlich-Heßischen Gemälde-Sammlung in Cassel. Kassel 1783, S. 19, Kat.Nr. 61.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Versuch eines Verzeichnisses der kurfürstlich hessischen Gemälde-Sammlung. Kassel 1819, S. 40, Kat.Nr. 242.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Verzeichniß der Kurfürstlichen Gemählde-Sammlung. Cassel 1830, S. 47, Kat.Nr. 279.
  • Auszug aus dem Verzeichnisse der Kurfürstlichen Gemälde-Sammlung. Kassel 1845, S. 31, Kat.Nr. 279.


Letzte Aktualisierung: 10.11.2023



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