Caroline Juliane Albertine von Schlotheim, spätere Gräfin von Hessenstein



Caroline Juliane Albertine von Schlotheim, spätere Gräfin von Hessenstein


Inventar Nr.: GK 754 (1875/1174)
Bezeichnung: Caroline Juliane Albertine von Schlotheim, spätere Gräfin von Hessenstein
Künstler: Wilhelm Böttner (1752 - 1805), Maler/in
Dargestellt: Caroline von Schlotheim (1766 - 1847)
Datierung: 1788
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Leinwand
Maße: 85,8 x 71 cm (Bildmaß)
Provenienz:

erworben 1905 als Geschenk der Baronin von Stenglin, Dresden, einer Enkelin der Dargestellten

Beschriftungen: Signatur: bez. u.l. (auf dem Fensterbalken): W: Böttner p 1788.


Katalogtext:
Vor braunem Grund mit dunkelgrünem Vorhang sitzt Caroline von Schlotheim dem Betrachter frontal gegenüber. Ähnlich wie in Porträts von Tischbein d. Ä. (1875/1192) stützt sie sich auf ein grünes Kissen, das auf einer Holzbalustrade liegt, und richtet den Blick auf den Betrachter. Als Ausdruck ihrer Bildung hält sie ein aufgeschlagenes Buch in der linken Hand, ein typisches Attribut, das in vielen zeitgenössischen Frauenbildnissen auftaucht, etwa im Porträt der Marianne Pernette von Tischbein d. Ä. (1875/1192) oder im Porträt der Lady Agrim von Tischbeins Neffen Friedrich August (1875/1216).
Die aus Kassel stammende Caroline Juliane Albertine von Schlotheim (1766-1847) war die Mätresse Wilhelms IX. (1743-1821) seit 1788, als das Porträt entstanden ist, bis zum Tod des Landgrafen im Jahr 1821. Achtzehn Kinder soll sie von ihm gehabt haben. Sie lebte im Palais von Landgraf Friedrich, dem Cansteinschen Haus, an der Schönen Aussicht und nach der Fertigstellung von Schloss Wilhelmshöhe in den Sommermonaten im Kirchflügel des Schlosses. Wie es für Mätressen üblich war, genoss sie »das Ansehen einer fürstlichen Gemahlin, ihre Dienerschaft trug die fürstliche Livrée« (Neuer Nekrolog der Deutschen 25, 1847, in: DBA). Im Mai 1811 wurde sie offiziell als Reichsgräfin Hessenstein in den Grafenstand erhoben, wenngleich sie bereits vorher so genannt wurde. Wilhelm IX. erwähnt in seinen Lebenserinnerungen zum Beginn des Jahres 1788 diese »neue Liaison« und schildert die Schönheit und »Sanftmut« der Caroline von Schlotheim (S. 259).
Die Mätresse war ein durch den französischen Hof eingeführtes Herrschaftsmittel des Regenten und nicht zuletzt ein Statussymbol, das den Glanz des Hofes unterstrich. Sie wurde öffentlich in ihr Amt eingeführt und der landgräflichen Familie und dem Hof als zweite Frau an der Seite des Herrschers präsentiert. In diesem Zusammenhang entstand das offizielle Porträt der Caroline von Schlotheim als »maitresse en titre« aus der Hand des landgräflichen Hofmalers, dem weitere Bildnisse folgten (1875/1271, 1875/1625, 1875/1287).
Auf Caroline von Schlotheims offizielle Funktion am Hof verweisen die kostbaren, breiten Perlenarmbänder mit den brillantenbesetzten Emailmedaillons: das eine Medaillon ist mit den Initialen Wilhelms IX. verziert, das andere zeigt sein Bildnis. Der Landgraf hatte die Mätresse in ihre Stellung gesetzt und war der Garant ihrer Macht. Die Rosen und Vergissmeinnicht am Dekolleté sind ein zusätzlicher ikonographischer Hinweis auf Freundschaft und Liebe.
Präsentiert wird Caroline von Schlotheim in der neuesten Mode. Das hellviolette Kleid mit den spitzenverzierten weißen Rüschen und Schleifen sowie die künstlichen Blumen im Dekolleté entsprechen ebenso wie ihr aufwendiger Kopfputz mit den Straußen- und Hahnenfedern der aktuellen französischen Mode. Im »Journal des Luxus und der Moden«, der tonangebenden deutschen Modezeitschrift Ende des 18. Jahrhunderts, findet sich im März 1787 ein ausführlicher Bericht über »Französische Moden«. Die darin enthaltene, detaillierte Schilderung des neumodischen Kopfputzes stimmt mit der Kopfbedeckung Caroline von Schlotheims ziemlich genau überein (Bd. 2, S. 96f.): »Das neueste Moden-Präsent, welches die hiesigen Putzmacherinnen unsern Damen seit kurzen gemacht haben, sind die Hauben und Hüthe à l’Espagnol. [...] Das Bonnet à l’Espagnol hat meistens die doppelten Papilions [Schmetterlingsflügel] und den Schleyer von rosa Crepe, an der linken Seite einen aufsteigenden Eventail [Fächer] von weißen Flor [Kreppgewebe] oder Blonden [Spitzen aus Seidengarn], und außer der gedachten spanischen Schwungfeder noch ein paar willkührlich placirte Federn, sonderlich schwarze Hahnen-Federn, mit bunten, feuerfarbenen oder blauen Spitzen.« Bei Caroline von Schlotheim sind die »Papilions« in Weiß gehalten und der transparente weiße »Crepe« mit weißen Tupfen versehen.
Das Modell, das auf der kolorierten Kupfertafel der Zeitschrift abgebildet ist, trägt denselben Kopfputz wie Caroline von Schlotheim in Böttners Porträt. Auch die Frisur mit den grau gepuderten Haaren und die doppelreihigen langen Ohrringe sind nahezu identisch. Vom Schnitt des Kleides ist in dem Modekupfer zwar wenig zu erkennen, doch wird dieser im Text genau beschrieben (ebd., S. 98): halblange anliegende Ärmel, deren Enden – wie bei Caroline von Schlotheim – Manschetten aus Tüllspitze zieren. Ebenfalls ist dort die Rede von einer »Guirlande von artificiellen Blumen«, die auch ersetzt sein kann durch »herausstehende Bouquets«. Selbst die beiden ovalen Medaillons an den Armbändern Caroline von Schlotheims folgen der französischen Mode, an beiden Handgelenken Uhren zu tragen: »Zu den Caracos werden meistens zwey Uhren, oder Uhr und Fausse-montre [...] getragen« (ebd., S. 98).
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Strieder, Friedrich Wilhelm: Grundlagen zu einer Hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte seit der Reformation bis auf gegenwärtige Zeit, S. 61, Kat.Nr. 30.
  • Eisenmann, Oscar: 15. Aufl. Kurzes Verzeichnis der Gemälde in der königlichen Galerie zu Cassel. 15. Aufl. 1905, Kat.Nr. 754.
  • Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775-1875. Gemälde und Skulpturen. München 1906, S. 66, Kat.Nr. 179.
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 7, Kat.Nr. 754.
  • Holtmeyer, Alois: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Kassel 1923, S. 381.
  • 150 Jahre Kasseler Kunstakademie. Kassel 1927, Kat.Nr. 27.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, Kat.Nr. 754.
  • Vom Rokoko zur Romantik. Kassel 1946, Kat.Nr. 41.
  • Helm, Rudolf: Alt-Kassel. Aus Kunst und Geschichte einer schönen Stadt. Kassel 1947, Kat.Nr. 100 (?).
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 34, Kat.Nr. 754.
  • Kaiser, Konrad: Ein Gang durch Kassels Neue Galerie, Teil 1. Kassel 1976, S. 18.
  • Fabian, Bernhard [Hrsg.]: Deutsches Biographisches Archiv: eine Komulation aus 254 der wichtigsten biographischen Nachschlagewerke für den deutschen Bereich bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. München 1982-1985.
  • Wir Wilhelm von Gottes Gnaden. Die Lebenserinnerungen Kurfürst Wilhelms I. von Hessen 1743-1821. Frankfurt/New York 1996, S. 259, 473.
  • Weisbrod, Andrea: Von Macht und Mythos der Pompadour. Die Mätressen im politischen Gefüge des französischen Absolutismus. Königstein i.T. 2000, S. 284-288.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 30-32, Kat.Nr. 15.
  • Gruber, Hille: Wilhelm Böttner (1752 - 1805), ein hessischer Hofmaler. Studien zur Porträt- und Historienmalerei mit Katalog (Phil. Diss.). Heidelberg 2010, Kat.Nr. PG 15.


Letzte Aktualisierung: 21.03.2022



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