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Die Einweihung des Denkmals Friedrichs II.



Die Einweihung des Denkmals Friedrichs II.


Inventar Nr.: LM 1921/30
Bezeichnung: Die Einweihung des Denkmals Friedrichs II.
Künstler: Johann Heinrich d. Ä. Tischbein (1722 - 1789), Maler/in
Datierung: 1783
Geogr. Bezug: Friedrichsplatz, Kassel
Material / Technik: Leinwand, doubliert
Maße: 88 x 135 cm (am oberen Rand 2 cm umgeschlagen) (Bildmaß)
98,5 x 145,5 x 6,5 cm (Rahmenmaß)
Provenienz:

erworben 1921 aus der ehemaligen Sammlung Hirth

1918 auf Versteigerung der Sammlung Georg Hirth

möglicherweise bis 1790 im Besitz des Malers

Beschriftungen: Signatur: bez. u.l. (auf dem Steinblock): Einweihung der Statue./ Fridrich. der II./ Landgraf zu Hessen Kassel den 14. Aug. 1783


Katalogtext:
Anlass des großformatigen Stadtpanoramas mit der Ansicht des Kasseler Friedrichsplatzes war, wie die Signatur von Tischbein d. Ä. auf dem Steinquader am unteren Bildrand belegt, die offizielle Einweihung des Standbildes Landgraf Friedrichs II. gegenüber dem Museum Fridericianum am 14. August 1783, dem Geburtstag des Fürsten.
Dem aufgeklärten Selbstverständnis des Landgrafen entsprechend steht nicht die Statue, sondern das Museum Fridericianum im Zentrum der Darstellung. Landgraf Friedrich hatte es nach den Plänen von Simon Louis du Ry (1726-1799) und Claude-Nicolas Ledoux (1736-1806) seit 1769 für die fürstlichen Kunstsammlungen der Naturgeschichte, Mathematik und Physik, für die Antiken- und Medaillensammlung und die Bibliothek errichten lassen. Das Gebäude gehört zu den ersten öffentlichen Museumsbauten Europas. In Tischbeins Gemälde nimmt es nahezu die gesamte rechte Bildhälfte ein und wird besonders hervorgehoben durch das von links einfallende, warme Licht, das den Bau mit seiner klassizistischen Fassade von dem dunklen Wolkenhimmel hell absetzt. Das Standbild Friedrichs II., das durch ein großes Aufgebot an Soldaten abgeschirmt wird, tritt hinter dem prächtigen Bauwerk zurück. Die Marmorstatue hatte der Kasseler Hofbildhauer Johann August Nahl d. Ä. (1710-1781) geschaffen und sich dabei an französischen Standbildern Ludwigs XIV. orientiert, die den Herrscher in ähnlicher Schrittstellung und ebenfalls in antiker Feldherrntracht mit Lorbeerkranz und Kommandostab wiedergeben.
Tischbein d. Ä. stellte den Moment dar, der der offiziellen Einweihung unmittelbar vorausging. Die verschiedenen in Kassel garnisonierten Regimenter haben sich schon in einem zum Fridericianum hin offenen Halbkreis um das Denkmal aufgestellt. Zu Füßen des Standbilds steht bereits eine Kapelle mit Bläsern und Trommlern, doch sind überall noch Personen zu sehen, die letzte Vorbereitungen treffen.
In der »Casselischen Policey- und Commerzienzeitung« vom August 1783 wird das Ereignis nicht geschildert, angekündigt werden lediglich am 18. August die zu diesem Anlass erschienene Rede vom Erbmarschall Riedesel, Freiherrn zu Eisenbach, und die im Collegium Carolinum gehaltene Rede von dem Historiker Professor Gustav Casparson (33. St., S. 598, Nr. 1 u. S. 599, Nr. 4). In den »Gothaischen gelehrten Zeitungen« ist aber im September 1783 ein Brief aus Kassel vom 17. August publiziert, dessen Beschreibung mit Tischbeins Gemälde ziemlich genau übereinstimmt: »Um elf Uhr ward der Friedrichsplatz mit einem starken Commando Soldaten zu Erhaltung der guten Ordnung besetzt. Um elf Uhr marschirten alle Bürgercompagnien der Stadt in blauer Mondirung auf dem Platz auf; und formierten sodann einen Kreis« (S. 590). Zwei Stunden später soll die Landgräfin mit ihrem Hof im Museum Fridericianum eingetroffen sein, um das Standbild zusammen mit dem Erbmarschall Riedesel und dem Staatsminister von Bürgel zu enthüllen. Landgraf Friedrich II. war nicht zugegen, er weilte im Lustschloss Heydau an der Fulda.
Tischbein hat den Sechsspänner der Landgräfin oberhalb des Fridericianums vor dem Palais Jungken dargestellt, aber weder durch die Komposition noch durch die Lichtführung und Farbgebung besonders hervorgehoben. Bei den beiden Personen zu Pferde unweit des Standbildes dürfte es sich um die ranghöchsten Offiziere der Veranstaltung handeln, vermutlich um den Erbmarschall und den Staatsminister.
Innerhalb der vielen Schaulustigen, die dem Geschehen beiwohnen, ist in der linken unteren Bildecke eine Personengruppe hervorgehoben, die die Ankunft der Landgräfin von einem leicht erhöhten Standpunkt aus verfolgt. Im Vordergrund der rechten Bildhälfte sind hingegen verschiedene Schaulustige wiedergegeben, die in anekdotische Einzelszenen eingebunden sind und vom eigentlichen Geschehen eher ablenken: Personengruppen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten, Soldaten, Adelige, Bürger und Bäuerinnen, sind ins Gespräch vertieft, kaufen von einem Händler Gebäck oder klettern auf eine Mauer, um besser sehen zu können. Auch sind zwei sich raufende Männer dargestellt, gegen die ein Soldat einschreitet.
Die Gebäude im Hintergrund, deren Fenster ebenso wie der Zwehrenturm am rechten Bildrand mit roten Fahnen geschmückt sind, geben einen Eindruck von der im Zweiten Weltkrieg zerstörten, ehemaligen Bebauung des Friedrichsplatzes nach Entwürfen von Simon Louis du Ry. Unmittelbar hinter dem Standbild Friedrichs II., wo die Königstraße verläuft, ist das Palais der Familie Waitz von Eschen zu erkennen und weiter rechts das Wohnhaus der Künstlerfamilie Nahl. Engelschall führt eine Vorzeichnung zu dem Gemälde an, die heute als verschollen gilt. Lange Zeit wurde das vorliegende Gemälde Anton Wilhelm Tischbein (1730-1804) zugeschrieben, Johann Heinrichs jüngstem Bruder, der Hofmaler in Hanau war; so auch im Auktionskatalog der Sammlung Hirth von 1918. Ein wesentlicher Grund für diese Zuschreibung waren wohl die leicht abweichenden Maße des Gemäldes von dem im Nachlasskatalog von Tischbein d. Ä. angegebenen »Prospect vom hiesigen Friedrichsplatz bey Aufdeckung der Statue Landgraf Friedrichs II.« (3 Fuß, 1 Zoll x 4 Fuß, 2 Zoll = 88,70 x 120,59 cm).
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Nachlaß des im August vorigen Jahres alhier verstorbenen Raths und Professoris auch Directoris der hiesigen Maler Academie Herrn Johann Heinrich Tischbein, an Tableaux, Portraits, Kupferstichen und Zeichnungen. Kassel 1790, S. 5, Kat.Nr. 52.
  • Engelschall, Josef Friedrich: Johann Heinrich Tischbein d. Ä., ehemaliger Fürstlich-Hessischer Rath und Hofmaler, als Mensch und Künstler dargestellt, nebst einer Vorlesung von Casparson. Nürnberg 1797, S. 128, 139, Kat.Nr. 8, 208.
  • Holtmeyer, Alois: Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Kassel 1923, S. 50, 801-804 (Bd. VI).
  • Luthmer, Kurt: Die hessische Malerfamilie Tischbein. Verzeichnis ihrer Mitglieder und einer Auswahl ihrer Werke. Kassel 1934, S. 27, Kat.Nr. 143.
  • Vom Rokoko zur Romantik. Kassel 1946, Kat.Nr. 12.
  • Helm, Rudolf: Alt-Kassel. Aus Kunst und Geschichte einer schönen Stadt. Kassel 1947, Kat.Nr. 2.
  • 175 Jahre Kasseler Akademie. Jubiläums-Ausstellung im Landesmuseum Kassel, veranstaltet von der Staatlichen Werkakademie und den Staatlichen Kunstsammlungen in Kassel. Ausstellungskat. Kassel 1952, S. 6, 16, Kat.Nr. 273.
  • Vogel, Hans: Das Malergeschlecht Tischbein. In: Merian (1953), S. 38, S. 38.
  • Both, Wolf von; Vogel, Hans: Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel. Ein Fürst der Zopfzeit. o.O. 1973, S. 123.
  • Kunsträume. Die Länder zu Gast bei der Nationalgalerie Berlin. Berlin 1987, S. 64, Kat.Nr. 4.
  • Marianne Heinz [Bearb.]; Erich Herzog [Bearb.+ Hrsg.]: Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722 - 1789), Kassel trifft sich - Kassel erinnert sich in der Stadtsparkasse Kassel. Kassel 1989, S. 175, Kat.Nr. 61.
  • Heinz, Marianne: Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789), Hofmaler, Akademiedirektor und Lehrer der Malerfamilie Tischbein. In: Friedrich/Heinrich/Holm 2001 (2001), S. 47-56, S. 53.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 266-268, Kat.Nr. 228.
  • Lange, Justus u.a.: Lichtgefüge. Das Licht im Zeitalter von Rembrandt und Vermeer. Petersberg 2011, S. 16.
  • Linnebach, Andrea: Das Museum der Aufklärung und sein Publikum. Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel im Kontext des historischen Besucherbuches (1769-1796). Kassel 2014, S. 250-252.
  • Vercamer, Julia: Das Museum Fridericianum in Kassel. In: Savoy, Bénédicte [Hrsg.]: Tempel der Kunst. Die Geburt des öffentlichen Museums in Deutschland 1701-1815 (2015), S. 490-523, S. 492.
  • Lange, Justus; Carrasco, Julia: Kunst und Illusion. Das Spiel mit dem Betrachter. Petersberg 2016, S. 21.
  • Klein, Alexander: Museum des Museums. Geschichte der deutschen Museen in ihrer Welt. Dresden 2018, S. 212.
  • Mohl, Maximiliane: Das Museum Fridericianum in Kassel. Museumsarchitektur, Sammlungspräsentation und Bildungsprogramm im Zeitalter der Aufklärung. Hedidelberg 2020, S. 81-82.
  • Tischbein. Meisterwerke des Hofmalers. Porträts und Landschaften von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789). Ausstellungskatalog. Museum Schloss Fasanerie. Eichenzell 2022, S. 114-115.
  • Auszug aus einem Brief aus Cassel, den 17. August 1783. In: Gothaische gelehrte Zeitung (6.9.1783), S, S. 591.


Letzte Aktualisierung: 08.02.2022



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