Austernfrühstück



Austernfrühstück


Inventar Nr.: GK 437
Bezeichnung: Austernfrühstück
Künstler: Pieter Claesz (um 1597 - um 1660), Maler/in
Datierung: Anfang 1630er-Jahre (?)
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Öl
Maße: 37,8 x 53,2 cm (Bildmaß)
59 x 75,3 x 8 cm (Objektmaß)
Provenienz:

erworben vor 1806.

Beschriftungen: Signatur: PC (verschlungen) / 16.3 (vorletzte Ziffer nicht erhalten)


Katalogtext:
Als wären sie eben gebraucht worden sind im Gemälde von Pieter Claesz auf einem Tisch verschiedene Gefäße, ein Teller und ein Messer neben den Resten einer Mahlzeit scheinbar zufällig nebeneinander platziert. Dennoch sind alle Gegenstände sorgfältig arrangiert und ergeben in ihrer Zusammenstellung eine ausgewogene Komposition, die durch verschiedene Diagonalen zusammengehalten wird. Das kleine Bildformat ist bis an den Rand mit Gegenständen ausgefüllt, deren Anzahl selbst sehr begrenzt ist: Ein großes Römerglas, ein Berkemeyerbecher, ein liegender Pokal und weiteres Geschirr aus Silber sowie kunstvoll verziertes Besteck zeugen von der Vornehmheit und dem Reichtum des Haushalts. Demgegenüber wirkt der Umfang der Mahlzeit mit einem Brötchen, Austern und Nüssen sowie einem Glas Weißwein eher bescheiden. Eine angeschnittene und kunstvoll geschälte Zitrone, die üblicherweise zum Wein gereicht wurde, und eine kleine Papiertüte mit Pfeffer ergänzen das Arrangement und waren als teure Importwaren nicht auf jedem Tisch zu finden. Der Teller und die Zitronenschale ragen über die vordere Tischkante und verbinden so auf illusionistische Weise Bild- und Betrachterraum miteinander. Die Beschränkung in der Anzahl der Objekte entspricht der reduzierten Farbskala des Bildes, die auf warme und kalte Töne in Grau, Beige und Braun begrenzt ist.
Bei der hier vorliegenden Gattung der sogenannten „monochromen banketjes“ handelt es sich um eine Spezialität des in Haarlem tätigen Malers Pieter Claesz. In der bewussten farblichen Reduzierung seiner Werke entsteht eine atmosphärischen Stimmung, an der die meisterhafte Lichtbehandlung erheblich Anteil hat. Hierzu gehört eine genau beobachtete und ausgewogene Verteilung von Licht und Schatten, die mit dem Lichteinfall des Hintergrunds korrespondiert.
Besonders kunstvoll versteht sich Claesz darauf, die Spiegelungen des Lichts auf den verschiedenen Oberflächen wiederzugeben. Damit folgt er Karel van Mander, der empfahl, die Lichter und Reflektionen der verschiedenen Oberflächen wie „glänzende Fische, Zinn und Kupfer“ genau zu studieren und „auf goldene und silberne Schalen und Vasen, helles und durchsichtiges Eis, auf mit Wein gefüllte Gläser, die das Tischtuch mit widerspiegelnden Flecken besäen, zu achten“ (Van Mander (1604) 1916, S. 191).
(T. Trümper, 2011)


Literatur:
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Versuch eines Verzeichnisses der kurfürstlich hessischen Gemälde-Sammlung. Kassel 1819, S. 8, Kat.Nr. 36.
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Verzeichniß der Kurfürstlichen Gemählde-Sammlung. Cassel 1830, S. 11, Kat.Nr. 55.
  • Auszug aus dem Verzeichnisse der Kurfürstlichen Gemälde-Sammlung. Kassel 1845, S. 9, Kat.Nr. 55.
  • Bode, Wilhelm: Studien zur Geschichte der Holländischen Malerei. Braunschweig 1883, S. 226.
  • Eisenmann, Oscar: Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. Nachtrag von C. A. von Drach. Kassel 1888, S. 255-256, Kat.Nr. 402.
  • Voll, Karl: Die Meisterwerke der königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. München 1904.
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 13, Kat.Nr. 437.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 16, Kat.Nr. 437.
  • Luthmer, Kurt: Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes Verzeichnis der Gemälde. 34. Aufl. Kassel 1934, S. 37, Kat.Nr. 437.
  • Voigt, Franz: Die Gemäldegalerie Kassel. Führer durch die Kasseler Galerie. Kassel 1938, S. 57, Kat.Nr. 437.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 45, Kat.Nr. 437.
  • Bernt, Walther: Die Niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts. 2. Aufl. München 1960/62, Kat.Nr. 181.
  • Herzog, Erich: Holländische Meister des 17. Jahrhunderts aus den Betänden der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (Jahresausgabe der Hessischen Brandversicherungsanstalt für 1965). Kassel 1965, S. Vorwort o. S.
  • Herzog, Erich: Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Geschichte der Galerie von Georg Gronau und Erich Herzog. Hanau 1969, S. 88.
  • Lehmann, Jürgen M.; Verein der Freunde der Kasseler Kunstsammlungen, Kassel e. V. (Hrsg.): Gemäldegalerie Alte Meister. Schloß Wilhelmstal. Bildheft mit 100 Meisterwerken. Kassel 1975.
  • Bernt, Walther: Die Niederländischen Maler und Zeichner des 17. Jahrhunderts. 4. Aufl. München 1979/80, S. 41 (Bd. 1), Kat.Nr. 248.
  • Adler, Wolfgang; Herzog, Erich; Lahusen, Friedrich; Lehmann, Jürgen M.: Gemäldegalerie Alte Meister Schloß Wilhelmshöhe. Braunschweig 1981, S. 91-92.
  • Schneider, Norbert: Stilleben. Realität und Symbolik der Dinge. Die Stillebenmalerei der frühen Neuzeit. Köln 1989, S. 18.
  • Weber, Gregor J. M.: Stilleben alter Meister in der Kasseler Gemäldegalerie. Melsungen 1989, S. 24, Kat.Nr. 14.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 82-83.
  • Brunner-Bulst, Martina: Pieter Claesz. der Hauptmeister des Haarlemer Stillebens im 17. Jahrhundert. Kritischer Oeuvrekatalog. Lingen 2004, S. 252, Kat.Nr. 85.
  • Lange, Justus u.a.: Lichtgefüge. Das Licht im Zeitalter von Rembrandt und Vermeer. Petersberg 2011, S. 102, Kat.Nr. 33.
  • Beckmann,Inke: Geflügel, Austern und Zitronen. Lebensmittel in Kunst und Kultur der Niederlande des 17. Jahrhunderts. Darmstadt 2014, S. 76-88.
  • Ved bordet. Mennesker, mad & nature morte. Fuglsang 2017, S. 145, Kat.Nr. 46.
  • Bek, Lise: Maltidet som Stilleben. Fra offergave til fastfoodobjekt. Aargus 2018.
  • Rollig, Stella [Hrsg.]; Johannsen, Rolf H. [Hrsg.]: Sag's durch die Blume! Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt. Ausszellung, Orangerie des Unteren Belvedere, Wien, 22. Juni bis 30. September 2018. München [u. a.] 2018.


Letzte Aktualisierung: 17.08.2021



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