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Selbstbildnis mit Palette



Selbstbildnis mit Palette


Inventar Nr.: 1875/1511
Bezeichnung: Selbstbildnis mit Palette
Künstler: Wilhelm Böttner (1752 - 1805), Künstler
Dargestellt: Wilhelm Böttner (1752 - 1805)
Datierung: um 1789/1790
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Leinwand
Maße: 87 x 75 cm (Bildmaß)
86,6 x 74,6 x 6,3 cm (Objektmaß)
Provenienz:

erworben 1969 von Clara Egger, Kassel

1942/43 als Leihgabe von Lilli Egger in den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel

1915 u. 1927 Frau Stabsarzt Dr. Egger, Kassel


Katalogtext:
Anders als in dem 1781 entstandenen Selbstporträt im Reisekostüm (1875/1441) gibt sich Böttner hier in der Pose des selbstsicheren Malers. Vermutlich malte er das Selbstbildnis, nachdem ihn Wilhelm IX. im August 1789 – in der Nachfolge Johann Heinrich Tischbeins d. Ä. – zum ersten Hofmaler und zum Direktor für Malerei an der Kasseler Kunstakademie ernannt hatte. In souveräner Geste lehnt er mit dem rechten Arm auf einem Fensterrahmen, so dass der Ellenbogen scheinbar plastisch aus dem Bild ragt. Den Oberkörper zur linken Seite gedreht, richtet er den Blick auf den Betrachter. Er gibt sich vornehm zurückhaltend gekleidet mit graubraunem Rock und weißem Halstuch, das weiß gepuderte Haar ist im Nacken zu einem Zopf gebunden. Sein Gesicht zeigt edle Blässe und hat durch die lasierende Malweise beinahe porzellanene Qualität. Pinsel, Palette und Malstock hält er in den Händen, eine grob grundierte Leinwand auf einer Staffelei ist im Hintergrund zu erkennen.
Mit der Pose des auf einer Brüstung aufgestützten Arms folgte Böttner einem traditionellen Darstellungstypus. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Tizians um 1512 entstandenes »Bildnis eines unbekannten Mannes« (London, National Gallery, Inv. Nr. NG 1944), auf dem der Dargestellte in etwas stärkerer Seitenansicht ebenfalls auf einem Fensterbalken lehnt. Rembrandt, der Tizians Gemälde kannte, hat sich in zwei Selbstbildnissen in dieser Pose dargestellt, in dem radierten Selbstbildnis von 1639 (Bartsch, Nr. 21) und in dem ein Jahr später gemalten »Selbstbildnis im Alter von 34 Jahren« (London, National Gallery, Inv. Nr. NG 672). Dieses Gemälde befand sich bis 1861 in der Pariser Privatsammlung des Generals Dupont, wo Böttner es während einem seiner beiden Parisaufenthalte gesehen haben kann. Auch wird er die radierte Version gekannt haben, die Vorbild für zahlreiche Selbstbildnisse anderer Künstler war. In Böttners Nachlass finden sich mehrere Kopien von seiner Hand nach Bildnissen Rembrandts (Nr. 12, 13, 17, 25).
Das Aufgreifen bekannter Vorbilder, die wettstreitende Kommunikation mit den Vorgängern, lässt sich in Selbstbildnissen oft beobachten und war noch bis weit ins 19. Jahrhundert eine gängige Weise, sich in der künstlerischen Tradition zu positionieren. Der Anschluss an bedeutende Künstlerbildnisse wurde gesucht, um zu demonstrieren, dass man sich diesen gewachsen fühlte. Böttners Anlehnung an Rembrandt war im Kontext der prominenten Rembrandt-Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie, die Landgraf Wilhelm VIII. (1682-1760) zwischen 1738 und 1752 begonnen hatte, ein deutliches Zeichen der Selbsteinschätzung und -darstellung.
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Gronau, Georg: Casseler Maler des 19. Jahrhunderts. Marburg 1915.
  • Berrer, J. W.: Wilhelm Böttner. In: Monatshefte für die Kunstwissenschaft (1920), S. 154-165, S. 155, 161.
  • Raupp, Hans-Joachim: Untersuchung zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Hildesheim/Zürich/New York 1984, S. 171.
  • Rembrandt. Der Meister und seine Werkstadt. München 1991, S. 218-221, Kat.Nr. 32.
  • Heraeus, Stefanie; Tipton, Susanne: Künstlerbildnisse. Porträts von Tischbein bis Beuys. Malerei, Graphik und Skulptur aus eigenen Beständen. Kassel 1996, S. 37-38, Kat.Nr. 12.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 32-33, Kat.Nr. 16.
  • Gruber, Hille: Wilhelm Böttner (1752 - 1805), ein hessischer Hofmaler. Studien zur Porträt- und Historienmalerei mit Katalog (Phil. Diss.). Heidelberg 2010, Kat.Nr. PG 10.
  • Lange, Justus; Carrasco, Julia: Kunst und Illusion. Das Spiel mit dem Betrachter. Petersberg 2016, S. 112, 114, Kat.Nr. 36.
  • Mävers, Sophie-Luise: Reformimpuls und Reglungswut. Die Kasseler Kunstakademie im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Eine Studie zur Künstlerausbildung im nationalen und internationalen Vergleich. Darmstadt/Marburg 2020.


Letzte Aktualisierung: 10.03.2023



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