Orpheus und Eurydike



Orpheus und Eurydike


Inventar Nr.: AZ 288
Bezeichnung: Orpheus und Eurydike
Künstler: Johann August d. J. Nahl (1752 - 1825), Maler/in
Datierung: 1807
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Leinwand
Maße: 144,5 x 112,5 cm (Bildmaß)
Provenienz:

bis 1880 im Besitz von Wilhelm Nahl, Kassel

Beschriftungen: Signatur: bez. (auf der Leier): I. A. NAHL. PINX. 1807


Katalogtext:
Das großformatige, mit »1807« bezeichnete Historienbild stützt sich auf die antike Erzählung von Orpheus und Eurydike. Der für seinen betörenden Gesang und sein Leierspiel berühmte Orpheus hatte seine Gattin Eurydike durch einen tödlichen Schlangenbiss früh verloren. Mit seiner wunderbaren Musik gelang es ihm, die Herrscher der Unterwelt, Hades und Persephone, zu erweichen, ihm Eurydike zurückzugeben. Die Bedingung dafür war aber, dass Orpheus sich erst dann nach Eurydike umsehen durfte, wenn sie in der Oberwelt angelangt waren. Kurz vor dem Ende des Weges aus der Unterwelt drehte sich Orpheus jedoch nach seiner Gattin um, worauf sie sich in Nebelschemen auflöste und seufzend in das Reich des Hades entschwand.
Wie mehrere Zeichnungen aus dem Bestand der Graphischen Sammlung der Staatlichen Museen Kassel belegen, hat Nahl verschiedene Handlungsstadien der Erzählung als Bildmotive erprobt (Inv. Nr. GS 4581-4583, 9337-9347, 9350, 9381). Schließlich wählte er den Moment, in dem Orpheus und Eurydike aus der Unterwelt emporklimmen (Inv. Nr. GS 4582). Orpheus, der einen leuchtendroten Umhang trägt, ist in breitem Ausfallschritt mit leicht nach vorn geneigtem Oberkörper dargestellt. Die Leier, die er an der rechten Körperseite hält und an deren Saiten er zupft, betont die vorwärts strebende Bewegung. Sein im Profil gezeigter, angespannter Blick ist starr zur Seite gerichtet, während Eurydike sich mit abwesendem Blick führen lässt. Sie ist in ein transparentes weißes Gewand gehüllt und hat die rechte Hand auf den kräftigen Unterarm des Gatten gelegt, während ihre linke den graugelblichen Schleier rafft, der vom Kopf über die Schultern herabfällt. In der rechten unteren Bildecke ist vor lodernden Flammen noch der Höllenhund Kerberos zu sehen, der mit offenem Maul und lechzender Zunge den beiden hinterher blickt.
Die ausschnitthafte Darstellung steigert die Präsenz der Szene, deren dramatischer Ausgang unmittelbar bevorsteht. Durch die Bildform des Kniestücks treten die Figuren direkt vor den Betrachter. Gesteigert wird ihre Gegenwart noch durch den perspektivisch kaum gestalteten Bildraum und die exakte Schilderung von Körpern und Kleidung, deren Schattierungen und Gewandfalten sich plastisch von dem dunklen Höhlengrund abheben. Besonders auffällig ist dies bei dem eng anliegenden Gewand der Eurydike, das ihre Körperkonturen eher betont als verbirgt. Nahls seit 1790 zu beobachtende Wendung zu einem strengeren, an Umrisslinien und an antiken Vorbildern orientierten Figurenstil erreicht hier einen Höhepunkt. Vorbilder für den Gewandtypus konnte er während seiner Aufenthalte in Paris und Rom studieren, etwa an der Marmorskulptur der Aphrodite (Typus Venus Genetrix) im Louvre in Paris. Die Konzentration auf die beiden Hauptfiguren wird zudem noch erhöht durch die Beschränkung der Farben auf den Dreiklang Braun-Rot-Weiß.
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Nahl d. J., Johann August: Biographische Skizze nach 1815, S. 15.
  • Material zur Familie Nahl aus dem Nachlaß Nicolai.
  • Justi, Karl Wilhelm: Grundlagen zu einer hessischen Gelehrten- Schriftsteller- und Künstler-Geschichte vom Jahre 1806 bis zum Jahre 1830.Fortsetzung von Strieders Hessischer Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte und Nachträge zu diesem Werk. Marburg 1831, S. 471.
  • Nahl, Wilhelm: Biographische Skizze zu Johann August Nahl d. J. 1849, S. 2, 3, Kat.Nr. 2.
  • Boetticher, Friedrich von: Malerwerke des 19. Jahrhunderts. Leipzig 1941, S. 123 (Bd. 2/1), Kat.Nr. 6.
  • Katalog der Städtischen Kunstsammlungen. Kassel 1965, S. 412, Kat.Nr. 15.
  • Fuchs, Werner: Die Skulptur der Griechen. München 1969, Abbildung S. 224.
  • Kaiser, Konrad: Ein Gang durch Kassels Neue Galerie, Teil 1. Kassel 1976, S. 7.
  • Sabine Fett und Michaela Kalusok: Die Künstlerfamilie Nahl - Rokoko und Klassizismus in Kassel. Verzeichnis sämtlicher Werke von Johann August Nahl d. Ä., Johann Samuel Nahl d. J. und Johann August Nahl d. J. im Besitz der Staatlichen Museen Kassel. Kassel 1994, S. 72, 99, 121, Abbildung S. 45, Kat.Nr. 80, 119.6-119.15, 168.2.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 132-133, Kat.Nr. 109.


Letzte Aktualisierung: 21.04.2020



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