Familienbildnis des Bankiers Karl Eberhard Löhr, Skizze



Familienbildnis des Bankiers Karl Eberhard Löhr, Skizze


Inventar Nr.: GK 867
Bezeichnung: Familienbildnis des Bankiers Karl Eberhard Löhr, Skizze
Künstler: Johann Friedrich August Tischbein (1750 - 1812), Maler/in
Dargestellt: Carl Eberhard Löhr (1763 - 1803)
Juliane Wilhelmine Löhr (1768 - 1837)
Juliane Henriette Keil (1809 - 1845)
Datierung: um 1801/1802
Geogr. Bezug: Leipzig
Material / Technik: Leinwand, doubliert
Maße: 31 x 25 cm (Bildmaß)
Provenienz:

erworben 1896 aus dem Nachlass von Friedrich Franz Anton Wilken, einem Enkel des Künstlers

Beschriftungen:


Katalogtext:
Der Bankier und Kunstsammler Karl Eberhard Löhr (1763-1813), Sohn von Rahel Charlotte Löhr (vgl. 1875/1482), und seine Frau Juliane Wilhelmine (1768-1837), eine Tochter des renommierten Leipziger Porträtkupferstechers Johann Friedrich Bause, gehörten zur vornehmen Gesellschaft der Messestadt: »Leipzig stand damals in seiner Glanzperiode; der Oberbürgermeister Müller, die ersten Kaufherren der Stadt, Frege, Dufour-Pallard, Küstner, Löhr, beeiferten sich, ihre Häuser zu dem angenehmsten Mittelpunkt auch für Gelehrte und Künstler zu machen«, notierte Caroline Tischbein, die älteste Tochter des Malers, in ihren Erinnerungen (Stoll 1923, S. 137).
Ähnlich wie bei der Ölskizze einer unbekannten Familie (vgl. GK 848) hat Tischbein in einem Innenraum Mutter und Tochter – sich zärtlich berührend – im Vordergrund wiedergegeben. Der Vater hingegen ist etwas abgerückt im Hintergrund dargestellt. Juliane Löhr, die in einem hellgelben, langen Kleid auf einem Stuhl sitzt und den Kopf leicht nach rechts zu ihrer Tochter Juliane Henriette (geb. 1794) neigt, richtet ihren Blick aus dem Bild. Die Tochter, in einem weißen Musselinkleid, steht seitlich der Mutter und schaut über deren Schulter auf eine Zeichnung, die diese in den Händen hält. In Meusels »Teutschen Künstlerlexikon« (Bd. 1, 1808, S. 54) wird Juliane Löhr als »eine treffliche Landschaftszeichnerin« gelobt. Sie war als Kupferstecherin, Radiererin und Zeichnerin tätig und beschäftigte sich in ihren Tuschezeichnungen und Radierungen mit Landschaft und Stillleben. Auf der Ausstellung »150 Jahre Kunst und Künstler in Leipzig« 1937 waren mehrere Blätter von ihr zu sehen.
Die Komposition der Ölskizze, in deren Zentrum die Mutter-Tochter-Beziehung steht, hat Tischbein für die Gemäldefassung verworfen. Im ausgeführten Gemälde (Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv. Nr. 1283), das um 1801/02 entstanden sein wird, ist die Familie Löhr als zusammengehörige Dreiergruppe dargestellt. Durch die Position des Bankiers etwa in der Mittelachse des Bildes zwischen Ehefrau und Tochter wird Karl Eberhard Löhr in seiner Rolle als Familienoberhaupt herausgestellt. Gleichwohl wird der künstlerischen Tätigkeit seiner Frau durch die Gesten ebenso große Bedeutung eingeräumt. Henriette berührt die Landschaftszeichnung, die ihre Mutter in den Händen hält, mit der linken Hand, und auch der Zeigegestus des Vaters ist auf das Blatt gerichtet. Die bereits in der Ölskizze angelegten Farben, deren Weiß-, Gelb- und Ockertöne typisch für Tischbeins frühe Leipziger Jahre sind, griff er in der Gemäldefassung auf und steigerte noch ihre Kontraste. Im Vergleich zur Skizze wirkt das Gemälde aber konventioneller, nicht zuletzt durch die traditionelle Dreieckskomposition des hierarchisch organisierten Familienbildes.
(S. Heraeus, 2003)


Literatur:
  • Jahrhundertausstellung deutscher Kunst 1650-1800. Darmstadt 1914, S. 145, Kat.Nr. 706.
  • Eisenmann, Oscar [Bearb.]: 25. Aufl. Kurzes Verzeichnis der Gemälde in der königlichen Galerie zu Cassel. 25. Aufl. Kassel 1914, Kat.Nr. 867.
  • Stoll, Adolf: Der Maler Friedrich August Tischbein und seine Familie. Stuttgart 1923, S. 137, 191.
  • Joh. Friedrich August Tischbein, 1750-1812. Gemälde und Zeichnungen aus deutschem Museums- und Privatbesitz. 1924, Kat.Nr. 37.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 80, Kat.Nr. 867.
  • Luthmer, Kurt: Die hessische Malerfamilie Tischbein. Verzeichnis ihrer Mitglieder und einer Auswahl ihrer Werke. Kassel 1934, S. 33, Kat.Nr. 194.
  • 150 Jahre Kunst und Künstler in Leipzig. 1937, Kat.Nr. 19-24.
  • Vom Rokoko zur Romantik. Kassel 1946, Kat.Nr. 28.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 153, Kat.Nr. 867.
  • Petteys, Chris: Dictionary of Women Artists - An International Dictionary of Women Artists born before 1900. Boston 1985, S. 50.
  • Franke, Martin: Johann Friedrich August Tischbein. Leben und Werk. Egelsbach u. a. 1993, Kat.Nr. 205 (Bd. 2).
  • Katalog der Gemälde. Leipzig 1995, S. 193, Abbildung S. 688, Kat.Nr. 1283.
  • Stuhr, Inge: Leipziger Kunstmäzenen - Die Familien Löhr und Keil. In: Leipziger Kunstkalender. Informationen, Kalendarien (1995), S. 131-142, S. 131-136.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 212-214, Kat.Nr. 185.
  • Lange, Justus: Tussen Sentiment en Humor. Johann Friedrich August Tischbein als Schilder van het Gevoel, Abbildung S. 39.


Letzte Aktualisierung: 14.09.2021



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