|<<     2 / 2     >>|

Früchtestillleben mit Römer und Flötglas



Früchtestillleben mit Römer und Flötglas


Inventar Nr.: GK 449
Bezeichnung: Früchtestillleben mit Römer und Flötglas
Künstler: Harmen Loeding (um 1637 - nach 1673), Maler/in
Datierung:
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Leinwand
Maße: 78 x 60,2 cm (Bildmaß)
97,5 x 78,5 x 5 cm (Rahmenmaß)
Provenienz:

erworben 1820 zusammen mit GK 448


Katalogtext:
In einem dichten Arrangement präsentiert der Künstler Harmen Loeding vor dunklem Fond eine Fülle verschiedener reifer Früchte auf einer steinernen Tischplatte, die von einem dunkelgrün schimmernden Tuch größtenteils bedeckt ist. Dunkle und helle Trauben, Erdbeeren, Kirschen, Pflaumen und Pfirsiche werden dabei ergänzt von einem silbernen Teller, einer Porzellanschüssel und verschiedenen Gläsern. Römer-, Flöt- und Bierglas sind gefüllt mit unterschiedlichen Getränken, darunter mit Weißwein, der gemeinsam mit einer geschälten Zitrone im Römer serviert wird. Dies stellt eine damals verbreitete Praxis dar, um den süßen Wein in seinem Geschmack durch die Säure abzumildern.
Der eigentliche Hauptakteur der Darstellung ist allerdings das Licht. Es belebt in unterschiedlicher Intensität die Oberflächen der Gegenstände und stellt ein wichtiges Mittel zur Gliederung der Komposition dar, deren atmosphärische und räumliche Wirkung durch die Helligkeitskontraste im Bild verstärkt wird. So heben sich die leuchtenden Früchte vor der Dunkelheit von Hintergrund und Tischtuch in wirkungsvoller Weise ab, während im hinteren Bildbereich die Verminderung der Lichtstärke, die einzelne Gegenstände wie das Flötglas ins Halbdunkel taucht, für Tiefenwirkung sorgt.
Dem Maler Harmen Loeding gelingt es, den unterschiedlichen Einfluss des Lichts auf matte oder glänzende Oberflächen malerisch anschaulich zu schildern, wie in dem Nebeneinander von Trauben und Pfirsichen deutlich wird. Die entstehenden Reflexe zeigen sich entweder in Form von sehr begrenzten, kräftigen Weißhöhungen, die ein dichtes Gefüge innerhalb der Darstellung bilden, oder als breit angelegte hellere Flächen, die in feinen farblichen Abstufungen wiedergegeben werden. Eine besondere malerische Qualität erreicht der Künstler in dem Motiv der Zitrone, deren Oberfläche sowohl im Spiel von Licht und Schatten als auch durch die kristalline Transparenz des Glases und zuletzt von der Flüssigkeit in ihrer Wahrnehmung verändert wird. Dieses nuancierte Spiel illustriert nicht nur das Niveau der niederländischen Stilllebenmalerei, sondern reflektiert auch die genaue Beobachtung der Wirklichkeit, die diesen hohen Imitationsgrad erst ermöglicht. Die außergewöhnliche Komplexität der Erscheinungsformen der Lichteffekte führte insbesondere in den Prunkstillleben des 17. Jahrhunderts zu einer wahren Leistungsschau der mimetischen Möglichkeiten einer differenzierten Lichtmalerei.
(T. Trümper, 2011)


Literatur:
  • Robert, Ernst Friedrich Ferdinand: Verzeichniß der Kurfürstlichen Gemählde-Sammlung. Cassel 1830, S. 95-96, Kat.Nr. 574.
  • Eisenmann, Oscar: Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel. Nachtrag von C. A. von Drach. Kassel 1888, S. 268-269, Kat.Nr. 420.
  • Hofstede de Groot, C.: Herman Luydingh, Schilder. In: Oud Holland 10 (1892), S, S. 85.
  • Thieme, U. [Hrsg.]; Becker, F. [Hrsg.]; Vollmer, H. [Hrsg.]: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1907-1950, S. 315 (Bd. 23).
  • Gronau, Georg: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel. Berlin 1913, S. 38, Kat.Nr. 449.
  • Gronau, Georg; Luthmer, Kurt: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. 2. Aufl. Berlin 1929, S. 45, Kat.Nr. 449.
  • Luthmer, Kurt: Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes Verzeichnis der Gemälde. 34. Aufl. Kassel 1934, S. 38, Kat.Nr. 449.
  • Voigt, Franz: Die Gemäldegalerie Kassel. Führer durch die Kasseler Galerie. Kassel 1938, S. 62, Kat.Nr. 449.
  • Vogel, Hans: Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel. Kassel 1958, S. 89-90, Kat.Nr. 449.
  • Bernt, Walther: Die Niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts. 2. Aufl. München 1960/62, Kat.Nr. 179.
  • Bott, Gerhard; Gronau, Georg; Herzog, Erich; Weiler, Clemens: Meisterwerke hessischer Museen. Die Gemäldegalerien in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden. Hanau 1967, S. 143.
  • Herzog, Erich: Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Geschichte der Galerie von Georg Gronau und Erich Herzog. Hanau 1969, S. 55.
  • Weber, Gregor J. M.: Stilleben alter Meister in der Kasseler Gemäldegalerie. Melsungen 1989, S. 26, Kat.Nr. 18.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 174.
  • Lange, Justus u.a.: Lichtgefüge. Das Licht im Zeitalter von Rembrandt und Vermeer. Petersberg 2011, S. 104, Kat.Nr. 34.


Letzte Aktualisierung: 29.06.2023



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum